Frankfurt writes its Stories.BETA

Die Begegnung mit der eigenen Vergangenheit in einem fremden Geigenkoffer.

22.10.2025

"Begegnung in der U-Bahn

An der Haltestelle Hauptwache: Ein Herr setzt sich mir gegenüber, Gesichtszüge asiatisch. Er hat einen großen schwarzen Koffer, den er etwas umständlich und vorsichtig vor sich stellt. Dieser ist etwa 1 m hoch, ca. 30 cm breit, mit Metallbeschlägen an den Ecken, sieht edel aus. Was sich darin wohl befindet? Ich bin neugierig, beschließe zu fragen, nicke ihm freundlich zu und erkundige mich nach dem Inhalt. Es handelt sich um eine Geige, eine wertvolle Violine aus Italien, 16. Jahrhundert. Er erzählt weiter, ich höre ihm interessiert zu: er stammt aus Guangzhou/China, sein Studium hat ihn nach Deutschland geführt, er arbeitet als Dolmetscher. Seine große Leidenschaft ist das Geigenspiel. Das Aufarbeiten derselben in Verona erzählt er, kostete allein 5000 Euro. Für die Versicherung muss er nachweisen, daß er sie zu Hause in einem Tresor mit Sicherheitsstufe 7 aufbewahrt, in China muß der Tresor erdbebensicher sein. Ich staune nicht schlecht!
Ich frage ihn nach seinem Namen, und ob er öffentlich auftrete.
Ja, gelegentlich mit einem Quartett, und sie hätten auch schon in der EZB bei Frau Lagarde musiziert, berichtet er stolz. Sein Name ist Meng Meng Wang.
Seit Corona spiele er gelegentlich in der B-Ebene an der Hauptwache. Und für die Frankfurter Rundschau hat er etwas eingespielt. Die Reihe nennt sich "Zum Hören und Innehalten", ist im Internet abrufbar.

An der Haltestelle Bockenheimer Warte steigt Herr Meng Meng Wang aus. Eine überaus bemerkenswerte und interessante Unterhaltung.

Erinnerung blobbt hoch: mein eigener Violin-Unterricht als Schülerin am Käthe-Kollwitz-Gymnasium in Neustadt an der Weinstraße. Nach sechs Jahren Unterricht hatte ich die Schulorchesterreife erreicht, der Eintritt in selbiges wäre Pflicht gewesen. Allerdings kam es nicht dazu, da ich mit 16 Jahren, Abschluss Mittlere Reife, das Gymnasium verließ. Die Geige musste ich zu meinem Bedauern abgeben, es handelte sich um eine Leihgabe der Schule.
Eigenes Instrument und Privatunterricht im Anschluss daran – unmöglich, zu teuer!

Ich ging nach Frankfurt, um eine Ausbildung zu beginnen. Aber das ist eine andere Geschichte."