Frankfurt schreibt seine GeschichtenBETA

Aus Durst nach Bildung in die Großstadt, um ein neues Leben für und mit Kunst und Kultur zu beginnen.

22.10.2025

Frankfurt

Frankfurt: Übergang. Schleuse. Neuanfang. Änderung aller Lebensumstände. Vom Ländlichen ins Urbane. Geistige und örtliche Lebenserweiterung. Sprung ins kalte Wasser.
Mit Ende 20 kam ich Anfang der 80er Jahre nach Frankfurt. Es war der zweite Umzug, der mit der Änderung elementarer Lebensumstände verbunden war.
Beim ersten Umzug war ich noch ein Kind – wir wurden vertrieben. Diesmal geschah es aus freiem und sehr betontem Willen. Ich beendete eine Karriere in einer großen bayerischen Bank, in der ich nicht mehr bleiben wollte. Überhaupt wollte ich in einer Art Sinnsuche wesentliche Dinge verändern, um mein Potential auszuschöpfen.
Es war die Zeit, in der viele Freunde nach Poona in Indien zum Bhagwan gingen, um einem Guru zu huldigen und mit neuem Namen und einem Haar ihres Meisters in einer Mala zurückkamen. „Die Zeit“ propagierte einen imaginären Bauernhof, um dem Zeitgeist gemäß vom Leben auf dem Land berichten zu können.
Beide Optionen waren nichts für mich. Ich wollte mich keinem Guru unterwerfen, noch war das einfache Leben auf dem Land für mich erstrebenswert. Meine Wahl fiel auf Frankfurt.
Ich entdecke den zweiten Bildungsweg und die Möglichkeit, mein Abitur nachzuholen und damit spürbare Lücken zu beheben für die mir der unerbittliche Trott auf der Bank keinen Platz ließ.
Frankfurt, das waren für mich in den ersten Jahren die funktionalen Bauten des Wohnheims und des Schulgebäudes am Rande der Stadt, im Biegwald. Die revolutionären Zeiten mit dem Kampf gegen die Startbahn West waren gerade vorbei, prägten aber noch den Schulablauf. Wir waren der erste Jahrgang, der wieder eine kleine Feier bei der Ausgabe der Zeugnisse haben wollte.
Mit den Leuten vor Ort lernte ich die Stadt kennen. Wir interessierten uns für lebendige, alternative Kulturstätten statt der bürgerlichen Häuser. Die Brotfabrik eröffnete damals. Theater war für uns die Schmiere und zum Tanzen gingen wir in den Sinkkasten.
Nach dem Kolleg folgte das Studium an der Uni in Frankfurt, - vorwiegend im alten, herunter gekommenen Backsteingebäude der ehemaligen Dondorf-Druckerei, die aktuell wieder von sich reden macht.
Ich wechselte die Wohnungen: Biegwald, Nied, Rödelheim, Sossenheim, Rödelheim, Nordend, Bornheim.
Ich schaffte mein Auto nach einem größeren Schaden ab und suchte mir Ateliers als Künstler: ein altes Lebensmittellager in Rödelheim, es folgte ein geräumiger Keller mit Kreuzgratgewölbe in Praunheim auf dem Gelände eines ehemaligen Hofgutes, ein Büro in einer Maschinenfabrik in Offenbach und schließlich viel zu kleine Räume im Gallus. All diese Ateliers, in denen ich meine Kunst entwickelte und vorantrieb, waren immer nur Räume auf Zeit, bis Investoren gewinnträchtigere Absichten damit verwirklichten.
In seiner Betriebsamkeit unterschied sich Frankfurt gewaltig von der stoischen Ruhe eines Spessart-Dorfes, wie ich es erlebt hatte.
Meine Kunst zeigte ich in kleinen Galerien in Frankfurt und Umgebung, in angesagten Ausstellungs-orten und Messehallen, tauschte mich mit anderen in Symposien und Projekten im In- und Ausland aus. Am Ende begleitete mich dabei meine Tochter nach Italien und entwickelte dabei ihre eigene Kreativität.
Ich begann über Kunst zu reden, um meinen Lebensunterhalt als Kunstvermittler zu verdienen: im Städel-Museum, in der Schirn-Kunsthalle, im Liebieghaus und erschloss mir dabei die Sammlungen und Veranstaltungen. Als ehemaliger Bank-Mensch war es für mich höchst interessant hinter die Fassaden einiger Frankfurter Bank-Türme zu schauen und mich mit den Kunstsammlungen dort vertraut zu machen, während die Angestellten geschäftig und getrieben umher wuselten.
Dabei entwickelte ich neue Fähigkeiten. Statt Bank-Auszubildende in öden Unterrichten auf ihre Abschlussprüfung vorzubereiten, eroberte ich mir neue Welten und fand Gefallen daran andere Menschen für Kunst zu begeistern.
Ich lernte Freunde kennen, mit denen ich seit Jahrzehnten einen großen, wilden Garten bewirtschafte und regelmäßig wandere. Beziehungen entstanden und vergingen wieder. Ein grandioses Kind von mir wurde geboren.
Frankfurt – nun lebe ich dort in einer Altenwohnanlage und harre der weiteren Dinge.

Robert M.