Frankfurt, Heimat über Generationen. Über die Verflechtung der eigenen und der Familiengeschichte über Jahrzehnte mit Geschehnissen und Orten in der Stadt.
14.11.2025Meine Familie kommt aus Frankfurt. Beide Eltern, drei meiner Großeltern, vier Urgroßeltern. Ich bin mit vielen Geschichten groß geworden, die Geschichte mit Geschichten aus meiner Familie verbinden: wie die Stadt vor dem Krieg aussah, wohin Ausflüge mit der Verwandtschaft unternommen wurden, wo sich Freundschaften gebildet haben, die über mehrere Generationen gehalten haben. Ich weiß vom ersten Ruderverein Frankfurts, der auch Frauen aufnahm. Die Mutter einer Tante hat dort gerudert. Ich kenne die Geschichten vom Wandervogel, in dem sich die Familien kennenlernten, die gemeinsam durch den Krieg kamen und danach stets den ersten Weihnachtstag gemeinsam mit Kindern, Enkeln, Cousins und Kusinen verbrachten. Bis auf der einen Seite Schluss war, weil die Tante keine Kinder hatte. Aber ihr Haus steht noch, und wenn ich daran vorbeilaufe, kommen die Geschichten wieder zurück. Die Veränderung der Stadtteile kenne ich auch aus den Erzählungen meiner Familie und aus meinen Erinnerungsstücken. Da gab es die Apfelweinwirtschaft, in der selbst gekeltert wurde und von der ich mit meinem Großvater einen Bembel Apfelwein abholte. Im Herbst gab es den Süßen für uns Kinder, danach den Rauscher. Ob der noch irgendwo ausgeschenkt wird? In meiner Kindheit war es normal, dass Dialekt gesprochen wurde. Nicht nur in dialektaler Färbung, sondern auch mit speziellen Redewendungen und eigener Grammatik. Meine Großeltern sprachen so, meine Eltern konnten es, ich verstehe es, meine Kinder tun sich schwer damit. Auf den Lohrberg sind wir mit den Großeltern gefahren. Fast jede Woche. Wir sind im Frühjahr Fahrrad und Roller gefahren, haben im Sommer im Planschbecken gespielt, im Herbst Drachen steigen lassen und Walnüsse gesammelt und sind im Winter auf dem Hügel Schlitten gefahren. Danach sind wir in die Gaststätte eingekehrt, damit sich meine Großeltern erholen konnten. Sie waren mit den Betreibern befreundet, und ihre Kinder oder Enkel waren in unserem Alter. Später habe ich mich dort mit Freunden und deren Kindern im Sommer getroffen. Meine Großmutter ist in Ginnheim aufgewachsen, bevor es eingemeindet wurde. Mein Großvater ist durch die Straßen in Bornheim gezogen. Meine Mutter ist auf der Straße Rollschuh gefahren und hat mit ihren Freundinnen ein Band über den Bürgersteig gespannt, um dort Gummitwist zu spielen. Mein Vater hat nach dem Krieg in den Ruinen gespielt. Wir Kinder hatten ein Trümmergrundstück, das lange nicht bebaut wurde und auf dem sich unbeschwert spielen ließ. Der Drahtzaun hatte Löcher und wir krochen hindurch. Alles war mit Gestrüpp zugewuchert, der Boden hügelig, uneben, mit Schuttresten vermengt. Es muss uns manchmal jemand gehört haben, aber wir wurden nie angesprochen oder vertrieben. Irgendwann war ein richtiger Bauzaun da. Jahre später wurden teure Eigentumswohnungen dort errichtet. Als meine Kinder klein waren, spielten keine Kinder mehr auf der Straße. Diese Stadt führt für mich von der Vergangenheit in die Gegenwart. Sie umfasst Geschichten meiner Familie und meiner Vorfahren. Es verweben sich die Zeiten und die privaten und öffentlichen Geschichten. Manchmal ist das ein Zuhause.
M K